12 – Erik & Isa | Blogroman

12 – Erik

Stille durchdringt das Wohnzimmer. Abgesehen von Mario Card, dessen Titelmelodie mal wieder Hintergrund einer verqueren Situation ist. Keiner sagt etwas, nicht einmal Tom kommt irgendein Spruch über die Lippen.

Lisa kommt her.

Es ist nicht so, dass ich nicht mir ihr klar komme. Im Gegenteil, sobald sie mich sieht klebt sie wie ein Kaugummi an meinen Sohlen. Dabei war sie diejenige, die Schluss gemacht hat. Wenn sie kein Mädchen wäre, hätte ich sie schon längst zum Mond geschnipst. Ich habe noch nie so viele Lügen in solch einer hübschen Verpackung gesehen, wie bei ihr.

Frustriert starre ich Isa an, die immer tiefer in ihrem Sessel versinkt. Das schlechte Gewissen ist ihr förmlich auf die Stirn tätowiert. Trotzdem bin ich sauer, aber nicht unbedingt wegen Lisa. Sondern, weil sie mir wegen der Sache die Besuche bei Tom verbieten wollte. Das ist doch total albern. War sie deshalb gestern so komisch drauf? Warum hat sie denn nicht mit mir geredet?

Weil du sie hast nicht zu Wort kommen lassen.

Ein Telefonklingeln zerreißt die Luft, die sich im Raum unangenehm verdichtet hat.

»Ist das deins?«, kommt es von Tom. Ungläubig sehe ich Isa an.

Mit weit aufgerissenen Augen und blassen Gesicht blickt sie in Richtung Flur. Sie springt auf, murmelt etwas Unverständliches und ist verschwunden.

»Was war das denn?«, fragt Tom und sieht mich ratlos an. »Ich dachte, sie hat ihr Handy bei Caro vergessen?«

»Das dachte ich auch«, antworte ich, mindestens genauso verwirrt und schaue zur Tür, die in den Flur führt. Isas Stimme erklingt, als sie denjenigen am anderen Ende der Leitung begrüßt.

Mit einem Stöhnen lässt sich Tom neben mir wieder nach hinten sacken. »Das kann dauern.«

Angespannt hocke ich auf der Couch und überlege ihr nachzugehen oder sitzen zu bleiben. Tom startet erneut das Spiel und steuert Joshi durch den Regenbogen-Boulevard. Eine Weile sehe ich ihm dabei zu, dann beschließe ich, ihr in den Flur zu folgen. Das schlechte Gewissen in mir verlangt nach einer Entschuldigung für den gestrigen Abend und ich will wissen, wieso sie wollte das ich nicht mehr herkomme. Lisa kann nicht der alleinige Grund dafür sein, oder?

Ich lehne mich gegen den Türrahmen und betrachte Isa, die mit dem Rücken zu mir steht und, wie es klingt, mit ihrer Mutter telefoniert. Sie hat mich bisher nicht bemerkt.
Sie trägt heute eine enge dunkle Jeans, die ihr hervorragend steht, weil sie ihren Po betont. Darüber umhüllt irgendein grün-flauschiges Strickteil ihre Schultern, von dem ich keine Ahnung habe, wie man es nennt. Aber es hat dieselbe Farbe wie ihre Augen. Sie hält das Handy in der einen Hand und zwirbelt mit der anderen eine Strähne durch die Finger.

Als sie sich zu mir umdreht, stockt mir der Atem. Sie sieht einfach umwerfend aus, mit den glühenden Wangen und den blonden Locken, die ihr Gesicht in einem wilden Sturm umrahmen.

Ihr tannengrünen Augen weiten sich, als sie mich bemerkt. Ob vor Schreck oder Verwunderung über meine Anwesenheit kann ich nicht einschätzen. Sie formt eine stilles »Mum« mit ihren Lippen und lächelt entschuldigend. Die Telefonate mit ihren Eltern dauern immer besonders lang. Da die beiden nur selten zu Hause sind, erhoffen sie sich wohl, die verlorene Zeit in ellenlangen Telefongesprächen kompensieren zu können. Aber Zuneigung und Trost kann nicht über ein Handy vermittelt werden. Manchmal benötigt man einfach eine Umarmung oder eine Schulter zum Ausweinen.

Isa tigert durch den Flur. Ich merke ihr an, dass sie keine Lust hat mit ihrer Mum zu telefonieren. Ihre Antworten sind kurz und einsilbig. Immer wieder versucht sie das Gespräch zu beenden, doch die Stimme am anderen Ende ist unermüdlich.

Angespannt fahre ich mir durch die Haare. Ich bin nervös, obwohl es überhaupt keinen Grund dafür gibt. Wir kennen uns schon solange, doch irgendwie hat sich die Chemie zwischen uns verändert. Einerseits will ich mit ihr reden, andererseits bin ich froh über den Mum-wird-nicht-fertig-mit-erzählen-Zeitpuffer.

Dann endlich ist es soweit.

»Ja, Mum, mach ich. Hab dich auch lieb. Tschüss.«

Nachdem sie aufgelegt hat, hält sie das Handy weiterhin umklammert. Ihr Blick klebt irgendwo unten an den Fliesen zu meinen Füßen. Sie öffnet den Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen, ohne ein Wort gesagt zu haben.

»Du hast dein Handy gar nicht bei Caro vergessen, oder?«, frage ich sanft. Ich kann einfach nicht mehr wütend auf sie sein. Wie sie da steht, die Schultern angezogen, das Gesicht hochrot und die verkrampften Finger. Am liebsten würde ich sie in den Arm nehmen.

Anstatt zu antworten, schüttelt sie nur den Kopf, hält den Blick jedoch weiterhin gesenkt.

Ich seufze ergeben, weil ich das kaum mit ansehen kann, wie unangenehm ihr das Ganze ist, und trete näher an sie heran. So dicht, wie es für einen Freund okay ist. Na gut, vielleicht ein Stückchen näher, als es für einen Freund okay ist. Dann lege ich eine Hand auf ihre Schulter und hebe mit der anderen ihr Kinn an, damit sie mich endlich ansieht.
In ihrem Gesicht flackert Unbehagen auf, was mir ungewollt einen Stich versetzt.

Ist ihr meine Nähe unangenehm?

Trotzdem weiche ich keine Zentimeter zurück. »Komm schon, Isa. Rede mit mir. Warum hast du deswegen gelogen?«

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Ein Gedanke zu “12 – Erik & Isa | Blogroman

  1. *seufz* Mario Kart … das einzige Videospiel, das ich je gespielt (und geliebt) habe xD
    Jetzt bin ich aber mal gespannt, wie sie sich da wieder rausreden will. Und ob sie es überhaupt will …

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