7 – Erik & Isa | Blogroman

7 – Isa

»Und, dann is er einfach abgehauen?« Caro klingt immer noch fassungslos, obwohl ich ihr den gestrigen Abend mindestens zehnmal bis ins kleinste Detail berichtet habe.

»Ja«, brumme ich, auf ihrem Bett liegend, was unter all den bunten Kissen, die sich darauf tummeln, kaum zu erkennen ist. Caros Zimmer spiegelt ihr Wesen wieder. Bunt, chaotisch und musikverliebt. Überall liegen CD´s, Platten und Klamotten herum. An der Wand hängt ihre E-Gitarre. Eine Fender, dasselbe Modell auf dem Kurt Cobain gespielt hat. Ihr absolutes Heiligtum. Der Rest des Zimmers ist gepflastert mit Plakaten von ihm und anderen Rocklegenden. Sie kennt sich aus und inhaliert Musik, wie andere Nikotin.

»Ach Süße, was hast du dir nur dabei gedacht?« Sie schüttelt den Kopf und starrt nachdenklich an die Wand, als würde sie stumme Zwiesprache mit einem der Musiker halten, die dort angepinnt sind. Ihr schwarzer Pixie sieht ganz verstrubbelt aus, da ich ihr nach der Dusche keine Zeit zum Föhnen gelassen habe. Unbewusst zupft sie an ihrem goldenen Nasenring. Das macht sie immer, wenn sie in Gedanken ist.

»Keine Ahnung. Ich habe mich aufgeführt, wie der letzte Idiot.«
Wenn ich an den gestrigen Abend zurückdenke, wird mir ganz flau im Magen.

Wie konnte ich nur so einen Wunsch äußern?

»Er denkt bestimmt, ich hasse ihn.« Stöhnend drücke ich das Gesicht in eines der Kissen. Es ist nicht zum Aushalten. Der Abend. Erik. Einfach alles.

Wo war mein gesunder Menschenverstand?

Das Bett gibt nach und Caro legt sich neben mich. Sie platziert ihren Kopf an meiner Schulter. Ihre Haare sind immer noch ein wenig feucht. Sie riechen nach Kokos.

»Das glaub ich ni. Wer weiß, was bei ihm los war. Ich meine…« Sie stockt, unsicher ob sie ihren Gedanken aussprechen soll. Ich weiß sofort, was sie sagen will.

»Du meinst, er hatte Ärger zu Hause?«
Ich sehe sie an. Sie schweigt und ich würde am liebsten laut schreien. Stattdessen dringt mein Brüllen nur dumpf aus dem Kissen hervor.

Was bin ich eigentlich für eine ignorante Ziege?

Erik steht mit seinem Vater seit Jahren auf Kriegsfuß. Er hat mir gegenüber mal erwähnt, dass es um seine Mutter geht, aber wir haben das Thema nie wieder aufgegriffen. Tom weiß sicher mehr, aber ich habe mich nie getraut zu fragen.

»Mach dir ni so viel Gedanken, Süße. Red mit ihm.«

»Wenn das so einfach wäre, zur Zeit …« Ich unterbreche und fische mein summendes Handy aus der Tasche.

Mein Herz setzt für einen Schlag aus. Eine Nachricht von Erik.

Hey Isa
Warum hast du nicht mit Tom geredet?

Direkt danach folgt eine SMS von Tom.

Erik meinte, du wolltest mir irgendwas erzählen. Ist es wichtig?

Mir wird abwechselnd heiß und kalt.

»Shit, und jetzt?«, fragt Caro, die mitgelesen hat.

Ich werfe das Handy zurück in die Tasche und drücke meine Hände aufs Gesicht. Wieso habe ich das gesagt? Diese verdammten Gefühle bringen mich noch um den Verstand. Wie um Himmelswillen soll ich aus dieser Situation wieder rauskommen, ohne Tom von Erik zu erzählen?

»Was soll ich denn jetzt machen?«, wimmere ich. »Wie soll ich das alles Tom erklären?«

»Du brauchst ne verdammt gute Ausrede, Süße.«

Ich wälze mich auf dem Bett hin und her.

Wo ist meine einsame Höhle, wenn ich sie brauche?

Caro steht auf und tritt an ihren Kleiderschrank. Die reinste Fundgrube für schrägen Geschmack, aber all die bunten Teile passen zu ihr. Sie wirft sich einen petrolfarbenen Tweedmantel über, der ihr bis knapp zu den Knien reicht, und setzt ihr schwarze Schirmmütze auf, die mich immer an einen Chauffeur erinnert.

»Los, zieh dich an. Auf den Schock brauch ich guten Stoff.«

Wie eine Aufziehpuppe folge ich ihrem Befehl und raffe meinen schlaffen Körper vom Bett auf. Guten Stoff bekommt man nur bei Joe. Joe´s Coffee Corner, ein kleiner gemütlicher Laden, der neben Kaffee- und Milchgetränken aller Art, auch noch den leckersten Kuchen des Universums anbietet. Die Inneneinrichtung besteht aus bequemen Zweisitzern, bei denen die Welt einfach in Ordnung ist, sobald man seinen Hintern darauf platziert. An den Backsteinwänden hängen schwarz-weiß Fotos von New York, die Joe selbst aufgenommen hat, als er für eine Weile dort gelebt hat. Das Licht ist gedämpft, was mit Sicherheit an den tief hängenden Lampen liegt, aber das gibt dem Café seine warme, kuschelige Note, die einen immer wieder hierher zieht.

Ich liebe Joe´s Coffee Corner.

Während Caro sich ihren Latte mit doppeltem Karamellsirup bestellt, überlege ich, einen von Joes legendären Schokomuffins in mich reinzustopfen. Bei Liebeskummer soll das angeblich helfen. Aber ich verspüre so gar keinen Appetit.

Hach, aber er sieht verdammt lecker aus.

»Und noch ein Schokomuffin, bitte«, höre ich Caro bestellen und schaue überrascht auf. »Obwohl … ich bin mir ni sicher, ob einer reicht, Joe.« Sie wirft Joe einen vielsagend Blick zu.

»Oh, das klingt übel. Dann muss ich wohl noch eine Schokolade mit extra Sahne dazu stellen«, meint er ernst, zwinkert mir jedoch im nächsten Moment zu und ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken. Joe ist einfach der Beste.

Wir nehmen an unserem Stammtisch Platz, der glücklicherweise frei ist. Unter der Woche ist meist nicht viel los, im Gegensatz zum Wochenende, wo man hier kaum treten kann.

Caro nippt an ihrem Kaffee und seufzt zufrieden. »Ich weiß ni, wie ich vorher ohne Joe überleben konnte.«

Ich löffle die Sahne von meinem Kakao und pule die Schokochips vom Muffin. Irgendwie hat heute alles einen faden Beigeschmack. Wie ich es hasse. Ganz ehrlich, wer hat so etwas wie Gefühle überhaupt erfunden? Ich meine, wozu braucht man die? Sie verdrehen die Realität und verkomplizieren das Leben. Wenn nicht mal Joes Muffin schmeckt, dann können die einfach zu nichts gut sein, oder?

Ob Erik mich jetzt wirklich nicht mehr mag?

Mir fällt seine SMS ein und ich ziehe das Handy aus der Tasche. Keine neuen Nachrichten. Ich scrolle zu Eriks Chatverlauf. Das war die erste SMS von ihm seit 2 Wochen. Vorher haben wir ständig miteinander gesimst. Wieder ein Beweis dafür, das Gefühle zu nichts gut sind. Sie sind wie Bugs in einem Computerspiel. Sie ruinieren einfach alles.

Als ich von meinem Handy aufschaue, begegne ich Caros Blick.

»Wie lange willst du denn noch auf das Teil starren? Du solltest ihm endlich antworten.«

»Und was soll ich bitte schreiben? Oh, sorry, ich bin total in dich verknallt. Aber nachdem du mich gestern auf der Couch angefahren hast, sind meine Gefühle mit mir durchgegangen. Ich wollte dich nie wieder sehen, um mein Herz zu schützen und meinem Bruder nicht den besten Freund auszuspannen. So in etwa?«

Caro zieht die Augenbrauen nach oben, als hätte ich den Verstand verloren. Habe ich ja auch. Zumindest fühlt es sich so an.

Sie streckt die Hand aus. »Gib her, ich hab ne Idee.«

Zeilentrenner neu

Etwas verpasst? Kein Problem, hier kommst du zu den vorherigen Kapiteln:

Kapitelübersicht


Hinweis: Mit dem Hinterlassen eines Kommentars, erklärt ihr, die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen und gelesen zu haben. Ihr seid damit einverstanden, dass die E-Mail Adresse, der angegebene Name und die IP, so wie die freiwillige Angabe der URL gespeichert werden.


4 Gedanken zu “7 – Erik & Isa | Blogroman

  1. Also, wenn nicht mal Schokomuffins und Kakao mit Sahne helfen … dann muss das echt schlimm sein. Weil, was sollte sonst helfen?
    Ich bin echt gespannt, wie Isa das wieder hinbekommen will.

    Liebste Grüße,
    Wiebi

    Gefällt 1 Person

  2. Huhu, ich bin auch total gespannt wie Isa das wieder hinbekommen will. Es ist im Moment total Aussichtslos. Ich mag deinen Schreibstil echt gerne. Du hältst es echt spannend und du machst die Protagonisten total lebendig. Und jeder der schon mal verliebt war ohne es dem anderen zu sagen, kann die zwei Protas nur zu gut verstehen :)

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..