Hallo, Versuchsobjekt Nr. 1072. Ich bin Benji. | WritingFriday

Ich kann gut Geschichten erzählen. Zumindest meint das Benji. Mein Teddy. Aber Benji ist kein gewöhnlicher Teddy. Oh, nein! Bei unserer ersten Begegnung sagte er nur, er komme nicht von hier, aber er wäre neugierig und wolle deshalb eine Weile bleiben.

Meine Eltern haben nur gelacht, als ich ihnen später erklärte, dass Benji aus dem All komme. Sie meinten, das ich eine blühende Fantasie hätte und das nur ich auf solche Ideen kommen könnte. Das fand ich ziemlich gemein. Deshalb habe ich Benji gefragt, wieso er sich ihnen nicht auch zu erkennen gab?

„Sie würden es nicht verstehen“, hatte er gebrummt.

Generell brummt er sehr oft. Seine Stimme ist wie das Schnurren einer Katze, wenn sie sich wohl fühlt. Ich mag sein weiches Fell und am liebsten habe ich seine karamellfarbenen Knopfaugen, die mir zuzwinkern, wenn kein anderer hinsieht. Er trägt einen silbernen Raumanzug, den er nur selten ablegt, aus Angst, die Luft könnte seinem Pelz schaden. Das ist natürlich Quatsch, aber ihm ist das ziemlich ernst.

Benji und ich sind Freunde fürs Leben. Das wusste ich bereits, als ich ihn zum ersten Mal sah. Ich nannte ihn „Benji-Bär“ und er mich „Versuchsobjekt Nr. 1072“. Meinen Namen wollte er gar nicht wissen, dafür aber alles mögliche andere.

Wie groß ist die Erde?
Wie viele Menschen leben hier?
Wie bist du entstanden?
Was ist deine Nahrungsquelle?

Viele der Fragen konnte ich gar nicht beantworten. Ich war immerhin erst 5 Jahre alt. Heute lachen wir darüber, denn es war schon ziemlich dumm, Antworten auf diese Fragen, von einem Kind zu erwarten. Aber Benji wusste es nicht besser und mir machte es Spaß, seine Fragen auf meine Art zu lösen. Benji-Bär hat damals viele falsche Dinge von Versuchsobjekt Nr. 1072 gelernt.

Zu Beginn schlief er immer auf meinem Regal, neben den Kinderbüchern und meiner Marienkäferspardose. Das fand ich total blöd, schließlich wollte ich gern mit ihm kuscheln. Das war jedoch, wie er immer wieder betonte, seines Standes nicht angemessen. Er war immerhin oberster Greez der Forschungspatrouille GZ257 – Einsatztruppe „Analyse neuartiger Spezies“.

Eines Nachts hatte ich einen schrecklichen Albtraum. Ich weiß nicht mehr viel von diesem Abend, außer der Ahnung an die alles durchdringenden Angst in meiner Brust und dem Gefühl, nie wieder glücklich sein zu können. An diesem besagten Abend kam Benji das erste Mal zu mir ins Bett. Seine sanften Pfoten strichen mir über die Stirn und sein Brummen beruhigte mich so sehr, das ich all das Böse in meinen Träumen vergaß. Von da an kam er jede Nacht zu mir. Die Frage nachdem warum, brummte er einfach weg.

Benji-Bär begleitete mich jeden Tag, egal wohin. Zum Kinderarzt, in den Kindergarten, zu Freunden oder in den Urlaub. Er war überall dabei und stets an meiner Seite. Alles im Sinne der Forschung, versteht sich. So kam es, dass ich ihm, an einem heißen Tag am Strand, das Leben rettete.

Wir waren zum Urlaub an die Ostsee gefahren. Benji saß neben mir im Sand, während ich nach seinen Wünschen eine Sandburg baute. Er wollte meine Motorik testen. Das Kläffen des Hundes nahm ich nur am Rande war, bis zu dem Augenblick, in dem es direkt neben meinem Ohr erklang. Sabber, spitze Zähne und weit aufgerissene, karamellfarbene Knopfaugen waren das Einzige, was ich wahrnahm, dann war Benji verschwunden. Es dauerte keine fünf Sekunden, da jagte ich dem Hund schon hinterher.

Der Besitzer des Dalmatiners entschuldigte sich unzählige Male bei uns, aber für mich zählte nur eines, das es Benji-Bär gut ging. Sein Anzug war zerrissen und sein Fell mit Hundesabber durchdrängt, aber er war wohlauf. Meine Mutti flickte seine Kleidung und ich wusch seinen Pelz sauber, bis er genauso flauschig war, wie zuvor. Das war der Tag, an dem Benji zum ersten Mal meinen richtigen Namen benutzte.
„Danke, Isa“, brummte er.
Der Titel „Versuchsobjekt Nr. 1072“ war damit Geschichte.

Liebe ist eine seltsame Sache. Wenn ich Benji fragen würde, was er unter Liebe versteht, würde er wahrscheinlich anfangen seine Daten zu sichten und mir anschließend einen Vortrag über Endorphine, Blutzuckerwerte und andere chemische Zusammensetzungen im menschlichen Körper halten. Dabei würde er mit ziemlicher Sicherheit frustriert mit den kleinen Ärmchen fuchteln, weil ich kein einziges Wort von dem verstand, was er mir erzählte. Ich denke jedoch, dass er insgeheim sehr genau weiß, was Liebe, Freundschaft und Zuneigung bedeuten und ich rede hier nicht von schwierigen Formeln oder Blutzuckerwerten.

Es kam, wie es kommen musste. Sein Aufenthalt auf der Erde endete. Mit Eingang der Nachricht und der damit verbundenen Frist von einer Woche, veränderte sich Benji. Er wurde ruhiger, beinahe still, wollte keine Forschungsdaten mehr erfassen und sein Lieblingsmüsli mit Schokostückchen aß er nur noch halb auf, anstatt einen Nachschlag zu verlangen.

Ich wusste, was los war, ging es mir doch genauso. Wir waren traurig. Benji würde die Erde verlassen und vermutlich nie wiederkehren. Seine Arbeit war getan. Er würde auf einen neuen Planeten reisen, neue Dinge sehen und andere Lebewesen erforschen. Unsere gemeinsame Zeit würde enden, für immer. Benji-Bär und Isa würden wieder zum oberster Greez der Forschungspatrouille GZ257 – Einsatztruppe „Analyse neuartiger Spezies“ und „Versuchsobjekt Nr. 1072“ werden.

Ich heulte Rotz und Wasser, während Benji-Bär mir sanft über den Kopf strich. Genauso wie früher, wenn ich Alpträume hatte.

Der Tag des Abschieds war da. Der Tag, an dem ich, meinen Freund fürs Leben verlor und neu gewann, denn … Benji blieb. Er verlängerte seinen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit, aufgrund unerwarteter Messwerte, deren Analysezeitraum er zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bestimmen könne. So lautete die offizielle Nachricht an sein Team.

Meine Frage nachdem warum, brummte er einfach weg. Typisch Benji eben. Aber ich verstand ihn. Sein tiefes Brummen, das mir jedes Mal das Herz erwärmte und ein Gefühl von Zugehörigkeit vermittelte, bedeutete mir mehr, als tausend Worte.

Benji-Bär und Isa sind Freunde fürs Leben. Ich wusste das sofort. Benji musste es erst lernen.

Zeilentrenner

Ihr Lieben, puuh ich sage euch, das heutige Thema „Erkläre einem Außerirdischen was Liebe ist“ hat es mir nicht leicht gemacht. In den letzten Wochen hatte ich dazu schon mehr als eine gute Geschichte gelesen und das brachte mich ganz schön zum Grübeln, wie ich dieses Thema umsetzen soll.

Letztendlich habe ich mich für die Liebe zwischen Freunden entschieden, die Liebe, die man nicht unbedingt mit Worten verdeutlichen muss. Das Ganze hat irgendwie längere Ausmaße angenommen, als gedacht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das Thema wirklich getroffen habe, aber ich hoffe, euch hat die Geschichte dennoch gefallen.

Der #WritingFriday ist eine Aktion von Elizzy, readbooksandfallinlove. Schaut vorbei und macht mit. ❤

Signum


10 Gedanken zu “Hallo, Versuchsobjekt Nr. 1072. Ich bin Benji. | WritingFriday

  1. Liebe Ella, ich finde es unglaublich schön, wie du dieses Thema in eine Geschichte verpackt hast. Und du hast Recht; Liebe braucht keine Worte, man fühlt sie einfach. <3
    Wünsche dir ein tolles Wochenende.

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  2. Liebste Ella, und wieder hast du eine so schöne Geschichte geschrieben, die so warm und kuschelig ist, dass man sich direkt wohl fühlt. :) Und ich muss ehrlich sagen – ich hätte auch gerne so einen Benji-Bär <3
    Liebste Grüße,
    Ida

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    1. Liebe Ida,
      vielen lieben Dank! Es freut mich, wenn du dich beim Lesen meiner Geschichte so wohl fühlst. :-) Einen Benji-Bär hätte ich auch gern. Das wäre sicher mega lustig. :-D
      Alles Liebe
      Ella <3

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    1. Hey Daniela,
      ich danke dir vielmals! :-) Es freut mich unheimlich so liebe Worte zu lesen. Heute habe ich auch endlich mal Zeit bei euch allen noch etwas zu Stöbern, bevor schon der nächste Freitag ansteht. ^^ Juhuu!
      Liebe Grüße
      Ella <3

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  3. Hallo Ella,
    ich mag deine Geschichte sehr und ich finde du hast das Thema absolut getroffen. Das hat mich total an mich und meinen Lieblingsteddybären (den ich seid ich ein Baby bin habe) erinnert.
    Sehr berührend!
    Liebe Grüße
    Diana von lese-welle.de

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    1. Liebe Daniela,
      ja, genau an diese Lieblingskuscheltiere habe ich auch gedacht, als ich die Geschichte verfasst habe. :-D Bei mir waren es u. a. ein Huski und ein Affe. Allerdings habe ich beide schon in Kindertagen verloren. Aber vielleicht sind sie ja auch nur zu ihrem Planeten zurückgekehrt. Wer weiß … ;-)
      Liebste Grüße
      Ella <3

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